Fuldaer Informationsdienst für angewandte Gesundheitswissenschaften und klinische Praxis
[erstellt 29/Sep/2008] [aktualisiert 24/Mrz/2010]
Welche Wechseldrucksysteme sind bei Patientinnen und Patienten mit Dekubitalgeschwüren wirksam?
Dekubitalulzera zählen zu den häufigsten Komplikationen insbesondere bei der Versorgung bettlägeriger oder in ihrer Mobilität eingeschränkter Patientinnen und Patienten. Die Behandlung von Druckgeschwüren ist zeit- und personalaufwendig, kostenintensiv und für die Betroffenen zum Teil mit erheblichen Schmerzen verbunden. Das Hauptaugenmerk bei der medizinischen und pflegerischen Versorgung von Risikopersonen muss daher auf die Prävention von Druckgeschwüren gerichtet sein. Zu diesem Zweck stehen unterschiedliche Optionen zur Verfügung [1]:
Im Folgenden werden Ergebnisse aus Publikationen vorgestellt, die Rückgriff auf die Ergebnisse aus anderen Studien nehmen und diese zusammenfassen (Leitlinien und systematische Übersichtsarbeiten). Die Auswahl der hier vorgestellten Ergebnisse beschränkt sich auf die Wirksamkeit von Wechseldrucksystemen sowie ausgewählte Präventivstrategien jenseits technischer Lagerungsmittel.
Eine Leitlinie des englischen National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) aus 2004 verweist bei einem Vergleich der präventiven Wirksamkeit zwischen Hightech-Interventionen (z.B. Wechseldrucksystemen) und Lowtech-Interventionen (z.B. Schaumstoffe) auf die unzureichende Studienlage [2: 38]. Die Leitliniengruppe formuliert aus Sicht der Guten Praxis, dass den Hightech-Systemen Vorzug zu geben ist, insbesondere für Patientinnen und Patienten,
Zugleich verweisen die Autoren auf den Umstand, dass kein zuverlässiges Assessment-Instrument vorliegt, dessen Anwendung eine Aussage zur Indikationsstellung für oder gegen ein – in der Regel sehr viel teureres – Hightech-System zulässt. Diese Einschätzung müsse auf Grundlage einer einzelfallbezogenen Risikobewertung mittels zuverlässiger Assessment-Instrumente erfolgen.
Auch auf einen Expertenkonsensus geht die Empfehlung zurück, dass Patientinnen und Patienten, die bereits mit druckentlastenden Systemen versorgt sind, in Abhängigkeit von Merkmalen wie Hautbild, Allgemeinzustand sowie Komfortempfinden, Lagewechsel erfahren sollen [2].
McInnes et al. [3] haben insgesamt 52 klinische Studien analysiert, von denen acht Studien einen Vergleich zu Wechseldrucksysteme mit Systemen mit konstanten Druckverhältnissen führen. Die gepoolte Zusammenfassung der Ergebnisse (Metaanalyse) in dem Cochrane-Review zeigte keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen Wechseldrucksystemen und Systemen mit konstantem Druck. Diese Ergebnisse korrespondieren mit denen, die in der Leitlinie von NICE dargestellt werden. Die Autoren machen deutlich, dass die Evidenzlage zur Wirksamkeit von Wechseldrucksystemen insgesamt als ungenügend zu bezeichnen ist.
Vanderwee et al. [4] kommen in ihrer Übersichtsarbeit aus 2008 zu ähnlichen Ergebnissen wie McInnes et al. Auch diese Autorengruppe geht aufgrund der begrenzten Studienlage von einer Überlegenheit der Wechseldrucksysteme gegenüber konventionellen Krankenhausmatratzen aus, kommt aber zu dem Schluss, dass die Durchführung groß angelegter, methodisch hochwertiger Studien notwendig sei, um offene Forschungsfragen zu klären.
Grundsätzlich ist die Anwendung von Lagerungshilfsmitteln bei der Dekubitusprophylaxe auf Grundlage einer fallbezogenen Beurteilung durch Pflegende zu entscheiden. Im dem noch nicht aktualisierten Expertenstandard zur Dekubitusprophylaxe in der Pflege wird berichtet [1: 57]: „Pflegende sind angesichts der wenig evidenten Literaturlage bei der Auswahl sinnvoller druckreduzierender Hilfsmittel gefordert, klinische Bedingungen und Nutzen der entsprechenden Hilfsmittel abzuwägen“. Zudem soll sich die Auswahl von Lagerungshilfsmitteln an folgenden Kriterien orientieren [1: 43]:
Im Expertenstandard wird empfohlen, auf die Verwendung von Fellen und Watteverbänden zu Lagerungszwecken zu verzichten.
Reddy et al. [5] haben in ihrem systematischen Review aus dem Jahr 2006 die Wirksamkeit unterschiedlicher Strategien zur Vermeidung von Druckgeschwüren miteinander verglichen. Es wurden 59 klinische Studien mit insgesamt 13.845 Teilnehmenden analysiert. Zu Strategien der Umlagerung von Patienten/innen (dem sog. Repositioning) führen sie aus, dass die dekubituspräventive Wirkung bei einem Lagerungsintervall von vier Stunden Dauer unter Verwendung spezialisierter Schaumstoffmatratzen statistisch signifikant seltener zur Entwicklung eines Druckgeschwürs führt als ein zweistündiger Lagewechsel unter Verwendung herkömmlicher Krankenhausmatratzen (auf Grundlage einer randomisierten kontrollierten Studie (838 Studienteilnehmende) aus 2005 mit suboptimaler methodischer Qualität). Reddy et al. berichten auch die Ergebnisse einer Studie (RCT mit sehr guter methodischer Qualität) aus 2004 mit insgesamt 46 Teilnehmenden, in der keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen einer Lagerung in 30° Seitenlage (laterale Tilt-Position) und einer Lagerung in 90° Seitenlage festgestellt wurde.
Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP), Arbeitsgemeinschaft der Medizinischen Wissenschaftlichen Fachgesellschaften (AWMF), National Clearinghouse Guidelines, CINAHL, Cochrane Library
decubitus, pressure ulcer, pressure sore, bedsore, pressure relieving devices, bed, mattress
Ergebnisse aus klinischen Studien, Übersichtsarbeiten, Leitlinien etc. dienen lediglich Ihrer Information und stellen keine Empfehlungen für oder gegen eine bestimmte Diagnose oder Therapie dar. Auch können die Ergebnisse kein Ersatz für eine Untersuchung, Diagnose oder Therapie und deren Überwachung durch medizinisch oder pflegerisch ausgebildete Personen sein. Die Ergebnisse sollten auf keinen Fall ohne vorherige gründliche Prüfung des einzelnen Behandlungsfalles und der besonderen Situation des einzelnen Patienten und der einzelnen Patientin angewendet werden. Der Fuldaer Informationsdienst für angewandte Gesundheitswissenschaften und klinische Praxis – FiNDAX – kann für entstandene Schäden jedweder Art, die aus der Nutzung der von FiNDAX angebotenen Informationen resultieren, nicht haftbar gemacht werden.
Diese Frage steht als pdf-download zur Verfügung:
http://www.findax.de/downloads/wechseldrucksysteme-dekubitalulzera.pdf
FiNDAX ist ein Service der Hochschule Fulda - University of Applied Sciences
© FiNDAX 2010–2012