Fuldaer Informationsdienst für angewandte Gesundheitswissenschaften und klinische Praxis
[erstellt 09/Jun/2008] [aktualisiert 15/Mrz/2010]
Welche Erfahrungen existieren mit Fokus-Dokumentation auf Intensivstationen?
Der Begriff Fokus-Dokumentation verweist auf ein spezielles System zur strukturierten Dokumentation von für die Pflege relevante Ereignisse. Diese Ereignisse können z.B. sowohl Erkrankungen, Diagnosen, Symptome sowie deren Verbesserung oder Verschlechterung als auch physische oder psychische Reaktionen von Patienten sein. Somit geht diese Dokumentation über ausschließlich an Problemen von Patienten orientierte Dokumentationsformen hinaus. Ihren Ursprung nimmt die Fokus-Dokumentation in 1980 in einem Krankenhaus in Minneapolis, Minnesota (USA) als Ergebnis der Überlegungen einer mit Pflegenden besetzten Arbeitsgruppe zur Verbesserung des etablierten Dokumentationssystems [1; 2].
Die drei bzw. vier wesentlichen Elemente einer Fokus-Dokumentation sind im Folgenden aufgeführt (im englischen Sprachgebrauch wird das Focus-Charting® in Anlehnung an die einzelnen Elemente auch DAR(P) abgekürzt) [3]:
Fokus-Dokumentation hat im englischsprachigen Ausland Verbreitung gefunden. In Deutschland ist diese Form der am Pflegeprozess orientierten Dokumentation noch wenig etabliert.
Durch die Recherche in den Literaturdatenbanken CINAHL und EMBASE/MEDLINE konnten – trotz des relativ hohen Verbreitungsgrades dieses Dokumentationssystems vor allem in den USA, Kanada sowie England – insgesamt nur wenige Veröffentlichungen identifiziert werden. Das Gros dieser Publikationen sind Erfahrungsberichte (vor allem in der Altenpflege und Akutversorgung) und Kurzbeschreibungen des Konzeptes. Eine Studie zur Fokus-Dokumentation auf Intensivstationen wurde nicht gefunden. Auf eine umfassende Buchpublikation von Susan Lampe aus 1997 wird als weiterführende Lektüremöglichkeit hingewiesen [4].
In einer Leitlinie zur Pflege-Dokumentation aus dem Jahre 2006 verweist die Association of Registered Nurses of Alberta auf die Eignung von Fokus-Dokumentation insbesondere für die Akutversorgung und Langzeitpflege älterer Menschen [5]. Auch andere Anbieter von Leitlinien zur Pflegedokumentation in Kanada stellen die Fokus-Dokumentation als eines der für klinische Settings geeigneten Dokumentationssysteme vor. So nennen z.B. die pflegewissenschaftlichen Fakultäten der Hochschulen in Nova Scotia und British Columbia in ihren Leitlinien die Fokus-Dokumentation als eine von mehreren geeigneten Methoden der Pflegedokumentation [3; 6].
Gryfinski und Lampe haben in einer Veröffentlichung aus dem Jahre 1990 den Implementierungsprozess von Fokus-Dokumentation als Dokumentationssystem am Beispiel eines großen akademischen Lehrkrankenhauses (873 Betten, 32 Stationen und Abteilungen, 1200 Pflegende) in Illinois wissenschaftlich begleitet [1]. Ziel der Implementierung war es, die Pflegedokumentation zu vereinheitlichen und zugleich effektiver und qualitativ hochwertiger zu machen. Nach der Identifikation von Defiziten des bestehenden Dokumentationssystems und der Formulierung eines Anforderungskataloges an das neue System durch eine mit Pflegenden besetzte Steuerungsgruppe folgte die Umstellung auf die Fokus-Dokumentation entlang der folgenden Handlungsschritte [1]:
Die Evaluation zeigte eine höhere Einhaltung der eingeforderten Dokumentationsstandards durch das Pflegepersonal aufgrund eines insgesamt reduzierten Aufwandes für Dokumentationstätigkeiten. Die Autorinnen nennen drei Gründe für eine erfolgreiche Implementierung von Fokus-Dokumentation [1]:
Darüber hinaus empfehlen die Autorinnen, die Praxiserfahrungen des Pflegepersonals in die Planungen im Vorfeld des Implementierungsprozesses eingehen zu lassen. Zudem betonen sie, dass die Fokus-Dokumentation ein für alle klinischen Settings geeignetes Dokumentationssystem sei.
Kerr vergleicht in ihrer Veröffentlichung aus dem Jahre 1992 Fokus-Dokumentation mit drei anderen gängigen Dokumentationssystemen. Als Vorteile von Fokus-Dokumentation werden insbesondere vier Aspekte hervorgehoben [2]:
Als nachteilig bewertet Kerr den großen edukativen Aufwand während der Implementierungsphase und dass die narrativen Anteile der Dokumentation ggf. umfangreicher werden könnten. Die Wahl eines Dokumentationssystems muss sich stets an den Bedürfnissen und Anforderungen des institutionellen Kontextes orientieren. Die Autorin schlussfolgert, dass keine Aussagen zur Überlegenheit eines einzelnen Systems getroffen werden können; die Elemente aber aus unterschiedlichen Systemen entlehnt und zu einem den jeweiligen organisationsindividuellen Bedürfnissen angepassten System integriert werden können.
Allan und Englebright [7] haben den Effekt einer Neustrukturierung eines computergestützten Dokumentationssystems in einem Krankenhaus in einem Vorher-Nacher-Vergleich getestet. Zu diesem Zwecke wurden Elemente aus unterschiedlichen Dokumentationssystemen (hier: Focus-Charting® und charting by exceptions) als Bestandteile des neu entwickelten Informationssystems integriert. Die Autorinnen bestätigen, wie bereits Kerr, die gute Vereinbarkeit der einzelnen Elemente aus unterschiedlichen Dokumentationssystemen. Darüber hinaus konnte eine Verringerung des zeitlichen Aufwandes für die Dokumentation um rund die Hälfte der zuvor benötigten Zeit und eine erhöhte Zufriedenheit des Pflegepersonals mit dem Dokumentationssystem festgestellt werden.
CINAHL, EMBASE/MEDLINE, Internet-Seiten internationaler Pflegeorganisationen und Universitäten mit pflegewissenschaftlicher Forschungs- und Ausbildungsaktivität
focus documentation, focus charting, nursing records, critical care nursing, intensive care units, intensive care nursing
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Diese Frage steht als pdf-download zur Verfügung:
http://www.findax.de/fokus-dokumentation-intensivstation.pdf
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